Die Pflicht ruft

Nach zweieinhalb Wochen in Indien, die ich mit akklimatisieren und Projekte durchstöbern verbracht habe, kann ich nun endlich von meiner Arbeit erzählen – ich arbeite nämlich endlich. Dumm rumzusitzen und den anderen beim Arbeiten zuzuschauen und froh zu sein, dass man selber nichts zu tun braucht, hatte zwar kurz seinen Reiz, wurde aber auf Dauer recht zach.

 

Mein Arbeitsplatz ist das so genannte Chiguru, ein Kinderdorf in dem hauptsächlich Kinder ohne Eltern, aus zerbrochenen Familien oder aus Familien die sich kein Kind leisten können, kommen.

Alles in allem ist es eine tatsächlich sehr schöne aber auch extrem anstrengende Arbeit. Das Chiguru liegt außerhalb der Stadt und im Gegensatz zu den meisten anderen Projekten, teilt man das Leben mit den Kindern fast 24/7. Ich schlafe 5 Meter von ihrem Zimmer entfernt im selben Haus (in einem Extrazimmer mit meinem Kollegen und Freund Jakob), teile mir Dusche und Bad mit ihnen, was oft dazu führt dass sie sich einen Scherz erlauben und an der Klotüre rumklopfen bis sie beschämt draufkommen, dass ich da drin „sitz“ (es gibt eigentlich nur Stehklos, die mich vollkommen überfordern) und kein anderes Kind, das sie gerade ärgern wollten.

 

Der Tag beginnt angenehm um 5:30 mit Morgensport und putzen, wobei ich dann um 6:40 zur täglichen Messe gehe, die der angenehmste und bestärkendste Punkt des ganzen Tages ist.

Danach müssen die Kinder lernen, das bedeutet dass sie in einem Raum sitzen und miteinander Blödsinn machen, weshalb ich darauf schauen muss dass sie leise sind. Darum ist die Taktik dass mich einfach drei Kinder überfallen und mit Fragen über den Lernstoff bewerfen damit ich nicht mitbekomme wie die anderen Kinder weiter Blödsinn machen. Im Prinzip kann ich ihnen nichts vorwerfen, sie haben viel zu lernen, wer mag sich da nicht mal ne Auszeit gönnen?

 

Endlich kommt man dann um 8:15 zum gemeinsamen Frühstück mit den Kindern und danach ist Unterricht bis 16 Uhr (Mittagspause inkludiert). Weil ich so ein begnadeter Schreihals bin, darf ich natürlich auch cirka 4 Stunden täglich Englisch unterrichten. Ja, die meisten Kinder können kaum ein Wort Englisch und nein, meine Telugukenntnisse sind bisher nicht ausreichend genug um mir irgendeine Hilfe zu sein. Dass ich das Wort für „setz dich“ und „seid ruhig“ beherrsche verschafft mir bei Kindern, die im Unterricht auf dem Fenstergitter herumkraxeln, leider keinen Vorteil.

 

Nach der anstrengenden Schulzeit geht’s endlich weiter mit der Gamestime, in der ich meist Volleyball oder sonstigen Sport mit ihnen mache. Das Ziel ist es, den Brother zu besiegen der hier mit mir arbeitet und einer der nettesten Kerle überhaupt ist. Er kümmert sich total darum, dass es uns Volontären gut geht und ist immer da wenn wir ihn brauchen. Er ist eher mehr Kumpel als Mitarbeiter und ein guter Sportler, weshalb das Volleyballspiel sehr gerne in einem Wettbewerb zwischen Volontären und ihm ausartet.

 

Danach werden die Spiele wieder eingezogen, es wird gegessen, dann teilen die Kinder ihre Gefühle mit, es gibt einen Nightprayer und um 21 Uhr gehen die Kinder ins Bett. Der Abend ist die schönste Zeit von allen. Die Kinder sind sehr offen in der „feelings round“ und obwohl ich nichts verstehe, ist es wunderschön.

 

Es mag so klingen als hätte ich manchmal beim schreiben übertrieben aber eigentlich habe ich versucht sehr nah an der Wahrheit zu bleiben. Auch wenn der Eindruck erweckt werden könnte, dass es die anstrengendste Arbeit überhaupt ist, ist es eine wunderschöne.

Denn wenn ein Kind dem es total schlecht geht und das in deiner English class noch geweint hat, sich zum Trost an dich kuschelt und nach einer Weile beginnt Scherze zu machen...

Wenn man die Kinder am Abend herumtollen sieht und sie mit mir Spaß haben und nicht streiten...

Wenn ein Kind die Namen seiner Familie aufschreibt und meinen Namen dazu schreibt...

… Dann wird mir klar wozu ich hier bin.

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Michael (Freitag, 11 September 2015 21:25)

    WOW
    Bin beeindruckt von deinen Schilderungen. Werd dich bei der 24/7 in der Operngasse ordentlich bebeten. Klingt nicht ganz unanstrengend.

    Big blessings
    Michael

  • #2

    Margareta (Samstag, 12 September 2015 11:42)

    WOW David! Schön von dir zu hören & Danke für deinen Bericht! Bei so einem vollen Tagesablauf, glaub ich dir sofort, dass es anstrengend ist aber auch, dass es sehr schön ist! Ich denke, mir könnte es auch gefallen ;)
    Alles Gute weiterhin & bis bald!
    GS,
    Margareta

  • #3

    Sabine (Sonntag, 13 September 2015 21:55)

    Lieber David,
    ich hab alles gelesen und ich kann das gut nachvollziehen wie es dir geht. Meine erste Zeit in China war ähnlich mit Verkehr und Toiletten...
    Ich hatte am Mittwoch einen Verkehrsunfall in Wien, zum Glück nur Blechschaden (leider ein Totalschaden und ich bin unverletzt. Ich wünsche dir genauso gute Schutzengel falls es im Verkehr einmal doch zu eng werden sollte!!
    Ganz liebe Grüße und viel Freude beim Tun,
    Sabine

  • #4

    Georg Flamm (Dienstag, 22 September 2015 11:00)

    Lieber David!
    Danke für Deine humorvollen Schilderungen! -
    Du hast wirklich eine schriftstellerische Ader!
    Wir denken in C&M viel an Euch
    und sind im Gebet mit Euch verbunden.
    Ein bisschen haben wir hier in der vergangenen Woche
    eine mit der Deinen verwandte Herausforderung gehabt,
    als wir für zwei Tage/Nächte den Pfarrsaal als Notquartier
    für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt haben.
    Ich wünsche Dir viel Kraft für Deinen Dienst in der Nachfolge Jesu:
    "Was ihr einem der Geringsten getan habt..."
    Herzliche Grüße
    Georg