Halbzeit - Highlights

Jap es ist Halbzeit - in genau 6 Monaten sitze ich wieder im Flieger nach Wien. Dies ist natürlich ein wunderbarer Grund ein paar Highlights dieses letzten halben Jahres aufzulisten und noch ein paar Dinge zu sagen die ich gerne loswerden möchte.

Es ist ein komisches Gefühl sich klarzuwerden, dass man recht bald wieder daheim ist. Schließlich bin ich jetzt genau so lange hier wie ich noch hier sein werde. Im Projekt bin ich jetzt der Oldboy, da ich eine Woche früher angekommen bin als meine drei Mitvolontäre. Somit liegt natürlich besonders viel Verantwortung auf mir, als der Erfahrenste und Weiseste Volontär im Projekt ;)

 

Wir sind nun nur noch zu viert. Als ich ankam waren wir über 20. Als nun Lukas und Angelina, die am längsten mit uns waren nun auch das Projekt verlassen haben, war das am Anfang schon ziemlich seltsam. Nun sind wir die Alten. Wir sind die, die den nächsten Volontären alles zeigen werden. Wird auch recht spannend wenn in einer Woche dann die beiden Neuen kommen. Innerhalb eines halben Jahres wächst man ja schon ordentlich zusammen und entwickelt seine Eigenheiten als Team. Ich bin gespannt ob wir ihnen am Anfang auch ein wenig komisch vorkommen (so wie die alten Volontäre mir damals :D ). 

 

Ein kurzer Bericht über die momentane Lage in der Arbeit: Ich arbeite zurzeit im Shelter für zwei Wochen um mir dieses Projekt einfach mal anzusehen. Der Shelter ist das Erstaufnahmezentrum für die Kinder, das heißt sie werden am Bahnhof aufgegabelt und kommen dann direkt da her. Da die meisten also gerade erst ihr Zuhause verlassen haben oder eben von der Straße kommen kann dies schon ziemlich anstrengend sein mit ihnen. Momentan haben wir zum Beispiel ein kleines Kind da, dass sich ungefähr mit einer Art lebendigen Flummiball vergleichen lässt. Er ist zwar unheimlich süß, sieht aber leider alles was höher als 50cm ist als Sprungschanze um Stefan oder mir auf den Rücken zu springen. Da dies so um die 20 Mal am Tag passiert, radelt man nach dem Arbeitstag mit ziemlich verspannten Schultern wieder in die Flat in der wir wohnen.

Mir geht es hier ein bisschen ab, dass man zu den Kindern eine ein wenig persönliche Beziehung aufbauen kann, da die Kinder hier ja meist nur ein bis zwei Wochen bleiben und dann wieder abgeschoben (Okay schlechte Wortwahl, sagen wir weiterverschoben, bzw. zu ihrer Familie zurückgebracht) werden. Ich weiß nicht, wo ich in Zukunft weiterarbeiten werde, da ich mich ins Chiguru in dem ich jetzt ein halbes Jahr gearbeitet habe, ziemlich verliebt habe, hoffe ich natürlich dass ich da bleiben darf.

 

Nun gut, Highlights des vergangenen halben Jahres:

 

- Stellt euch vor ihr kommt in ein Projekt mit 120 Kindern. Ihr habt keine Namen, wisst nicht wie sie drauf sind und seht eigentlich nur ihre Gesichter. Doch nach vielleicht 4 Monaten (ja so lange dauert es!) habt ihr die meisten Kinder schon langsam raus. Ihr wisst ihre Namen, kennt ihre Persönlichkeit und habt schon eure Insider mit einigen von ihnen. Lustigerweise ist so ein Insiderjoke etwas besonders Wichtiges. Ich glaube, dadurch hatte ich schon manche der größten Bondingerfahrungen. Sei es ein Kind das immer wenn es mit dir redet so tut als würde es dich anrufen, das Kind das immer wenn es ein Blatt Papier haben möchte "Brotheeeeeeerrr one drawing paperrrr pleeeeaaaaseee" singt oder das Kind das gelegentlich fragt ob es eh ein "good boy" ist und wenn ich dann mit "Ja" antworte einen strahlenden Grinser ins Gesicht bekommt, der die Sonne schwarz erscheinen lässt.

Es ist wirklich toll sie besser zu kennen. Wieviel mehr Freude die Arbeit somit macht ist eigentlich unbeschreiblich. Was vor einem halben Jahr noch namenlose Gesichter waren, sind jetzt Kinder bei denen ich tatsächlich ein wenig traurig bin, wenn sie das Projekt wechseln oder wieder nach Hause kommen (Natürlich freu ich mich auch für sie).

Ein weiteres Bondingerlebnis ist auch jedes Mal wenn ein Kind dir seine Geschichte erzählt. Ich kann mich kaum erinnern, dass ich mich irgendeinem Kind näher gefühlt habe als in dem Moment wo es begonnen hat mir zu erzählen, wieso es mit seinen Geschwistern von zu Hause weggerannt ist oder wieso es keine Familie hat. Wenn ein Kind dir seine Geschichte erzählt dann vertraut es dir. Solche Momente sind unglaublich wertvoll.

 

- Wenn man Kinder trösten kann. Wenn ein Kind mir weinend erzählt, dass alle anderen Kinder so gemein sind und es sich fühlt als hätte es keine Freunde und am liebsten weglaufen möchte, du dir anstatt Volleyball spielen zu gehen, die halbe Stunde Zeit nimmst bei dem Kind zu bleiben und es zu trösten und es, wenn du vom Wochenende zurück zur Arbeit fährst immer noch da ist und dich mit einem glücklichen Lächeln begrüßt, so sind all die misslungenen Englischstunden aus denen sich sowieso kein Kind etwas mitgenommen hat nebensächlich. Man hat dieses eine Kind getröstet. Das war den ganzen Einsatz schon wert.

 

- Wenn man während der Moskitozeit die momentan voll im Gange ist zur Abwechslung mal nur einmal wegen Juckreiz aufwacht, geschweige denn mal einschlafen kann.

 

- nach 4 Monaten Arbeiten war dann auch mal Urlaub angesagt. Zwei Wochen durch Indien zu Reisen, Mumbai, Delhi und andere geniale Orte zu besuchen ist genial. Man bekommt so viel von der Welt zu sehen, hat danach so viele Stories zu erzählen und hat sein recht einseitiges Bild von Indien ein wenig erweitert. Auch die Wochenenden an denen ich bisher Hampi (Gleichzeitig mit Goa das "Klischeeindien". Jeder glaubt dass ganz Indien so ist wie diese beiden Touristenorte, die einfach hauptsächlich von Hipstern auf Selbstfindungstrip besucht werden. Tut mir Leid, es ist einfach so), Hyderabad, Visakhapatnam (Meer!) und Amaravathi (okay, das ist gleich neben uns) besucht habe waren jedes Mal eine Erfahrung. Man entwickelt schon eine Liebe zum Reisen während so eines Auslandsaufenthaltes.

 

- Wenn man sich mal so ohne Grund nebenbei die Haare abschneidet weil man eh in Indien ist und es ja innerhalb der nächsten 7 Monate sicher wieder nachwächst. 

 

- Wenn man zur Abwechslung einen Tag mal seine Haare nicht vermisst...

 

- Einen Tag zu erleben der für die Kinder etwas besonderes ist. Eine Celebration irgendeines Hindufestes wo man ein Extraprogramm organiert und extra für den Tag eine Woche lang etwas bastelt, wie zB Drachen aus Zeitungspapier für irgendein Fest (dessen Namen ich schon wieder vergessen habe - wie leider eh bei jedem) oder Maskeln basteln, was meine Kollegin Rosa jetzt zwei Wochen lang für Fasching gemacht hat. Sie sind jedes Mal voller Freude und voll dabei mit Tanzprogrammen und allem drum und dran. Inder wissen ein wenig besser wie man Feste feiert als wir Europäer, ganz ehrlich ;)

 

- Krank sein. Ist immer lustig.

 

- Dieser Moment als ich erfahren habe, dass ich mein Spendenziel erreicht habe! Ja richtig, durch all die großzügigen Leute die mich finanziell unterstützt haben, habe ich über 4500 Euro an Spenden zusammenbekommen und bleibe somit nicht auf den Kosten dieses Einstatzes sitzen. Ein riesengroßes DANKE an jeden einzelnen Spender der das ermöglicht hat. 

Falls nun jemand traurig ist, dass es nichts mehr zum Spenden gibt habe ich eine gute Nachricht für euch: Rosa, die mit mir im Chiguru zusammenarbeitet und eine der motiviertesten und most hard-working Personen ist, die ich je gesehen hab (wenn ich vollkommen fertig vom Unterricht wie ein Komet ins Bett einschlage sitzt sie meist immer noch mit einer Horde an Kindern zusammen und bastelt irgendwas mit ihnen um ihnen eine Freude zu bereiten) hat leider nicht so viele großzügige Spender gefunden wie ich, auch wenn sie sich darum bemüht hat. Im Prinzip würde sie noch keinen Euro den sie investiert hat um hier zu arbeiten zurückbekommen. Ich weiß, es ist recht ungewöhnlich für eine Volontärin zu Spenden die man selbst überhaupt nicht kennt aber sie hats meiner Meinung nach definitiv verdient. Auf Spenden habe ich ihr Konto angegeben. Herzlichsten Dank an alle die ihr dabei auch noch helfen möchten!

 

 

Nun, das waren so einige Highlights der letzten 6 Monate mit ein wenig Schleichwerbung am Ende. Looking forward to the next half a year!

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Kommentare: 5
  • #1

    Berna :) (Mittwoch, 10 Februar 2016 16:12)

    Soooo spannend!!

    DANKE fürs update!!

    Fetten segen!

  • #2

    Catharina (Donnerstag, 11 Februar 2016 14:38)

    Wow... ich bewundere dich so sehr dass du das alles machst. Ich hätte viel zu viel Angst für ein Jahr irgendwo hinzufliegen :) Keep doing your wonderful job! Keine ahnung ob das grammatikalisch richtig war, aber dj verstehst sicher was ich meine. Du bist super! :)

  • #3

    fritz (Donnerstag, 11 Februar 2016 15:08)

    Danke dir, david. So schön, so authentisch. Und trotzdem freuen wir uns schon wieder wahnsinnig auf dich und 6 Monate sind echt noch lang. Also falls wir für eine Krankheit beten dürfen, die dich uns früher heimbringt, sag einfach Bescheid ;) may god bless you, evry day of your life!

  • #4

    Michael (Donnerstag, 11 Februar 2016 17:36)

    Ja kaum zu glauben aber er lebt noch. ... Dachte schon fast, dich hätte es wieder mal krankheitshalber ins Bett geprackt.

    Schön von dir zu lesen
    Segen
    Michael

  • #5

    Simon (Donnerstag, 18 Februar 2016 16:52)

    Dave!!! Voll cool von dir zu hören, kannst voll stolz sein ;)
    Bin schon gespannt was bei uns allen rund um die Erde noch so weitergeht.
    Halt uns am laufenden und schau dass gsund bleibst