Von menschlichen Trampolinen, Geschlechtertrennung und Vergnügunsparks

Spätestens wenn man sein durchgeschwitztes T-Shirt nach 4 Stunden anstrengenden Unterricht bei 40 Grad Celsius durchgehend die Woche nicht mehr von seinem Körper runterbekommt, bemerkt man, dass hier der Sommer beginnt. Jetzt zu meckern anzufangen ist definitiv zu früh, wenn man bedenkt, dass es in einem Monat wahrscheinlich noch um die 10 Grad mehr bekommen sollte. Die übertriebene Hitze bringt auch ein höheres Ausmaß an Müdigkeit, vor allem um die Mittagszeit mit sich, was bedeutet, dass meine Mitvolontäre mich manchmal in einem Zimmer auffinden, in dem 20 Kinder schlafen sollten. Das Ganze ergibt den absurden Anblick, dass ich weit ausgestreckt, friedlich auf dem Bett schlafe, während drei Kinder meinen Körper als Trampolin benutzen und vier andere Kinder daneben eine Rauferei anzetteln. Sollte ich in Zukunft bei Vorstellungsgesprächen nach meinen Fähigkeiten gefragt werden, so ist "schlafen unter unmöglichsten Umständen" sicher erstaunlich aber wohl nicht die gesuchte Fertigkeit.

 

Prinzipiell ist Körperkontakt hier in Indien, vor allem in einem Kinderheim ja etwas eigenes. Sei es, dass drei Kinder einen als Transportmittel für die nächsten 20 Meter benutzen indem sie sich an Arme, Hüften und Rücken hängen oder dass man ständig mit Leuten Hand in Hand durch die Gegend rennt (Side Note: Es ist auch unter erwachsenen Männern ganz normal Händchenhaltend herumzuspazieren - drückt enge freundschaftliche Verbundenheit aus). Nur zwischen unterschiedlichen Geschlechtern ist es unglaublich verpönt in der Öffentlichkeit auch nur ein Anzeichen an affektion zu zeigen, auch wenn sie verheiratet sind. Aus irgendeinem Grund (Ich nehme stark an weil ich weiß bin) ist es bei mir nicht ganz so schlimm wenn ich von Mädels durch die Gegend gezogen werde aber ich muss selbst manchmal aufpassen - mir würde wahrscheinlich nicht gesagt werden, dass ich keinen zwischengeschlechtlichen Körperkontakt zulassen soll (natürlich, bei den kleinen Mädels ist es egal) aber wohl sehr schnell den Mädels die dabei gesehen werden.

 

Nun machen wir einen kurzen Sprung zu einem tollen Erlebnis: Wir haben kürzlich mit dem gesamten Kinderdorf einen Ausflug in einen Freizeitpark gemacht - wohl der schönste Tag den ich je mit meinen Kindern hatte. Ich wundere mich jetzt noch, wie wir es geschafft haben kein Kind irgendwo beim Ringelspiel zu verlieren, denn es hat alles perfekt geklappt. Im Schwimmbad ist uns auch niemand untergegangen, was aber eher daran lag, dass es so angelegt ist, dass niemand in Gewässer gehen kann, in denen der Hals von Wasser berührt wird. Die meisten Inder können nicht schwimmen und es scheint nicht so zu wirken als würden sie Wert darauf legen es zu lernen (der Grund warum "ins Wasser fallen" hier gar keine so seltene Todesursache ist). Fun Fact für nebenbei: Man badet hier in vollem Gewand. Wie dem auch sei, das Schwimmbad war ein Wahnsinn und ich habe meine Kinder innerhalb der acht Monate die ich hier bin wahrscheinlich nie so happy gesehen. Hier möchte ich wieder auf das Thema Geschlechtertrennung Bezug nehmen. Logischerweise versuchten die größeren Mädels mich unterzutauchen und sind von den Caretakern ständig drauf aufmerksam gemacht worden, dass sie sich von mir fernhalten sollten, was sie auch nicht davon abgehalten hat. Mir zu sagen, dass ich weggehen sollte wäre wahrscheinlich sinnhafter gewesen aber das traut sich natürlich keiner. Ach Indien... Diese strikte Geschlechtertrennung ist als Westler schwer nachzuvollziehen, wenn man manchmal das Gefühl hat, der Glaube, dass Mädels beim gemeinsamen Volleyballspiel mit den Jungs schwanger werden könnten, ist ziemlich in die Gedanken eingebrannt. Die Mädchen aus diesem Grund das Volleyballfeld nicht nutzen zu lassen ist meiner Meinung nach keine faire Lösung.

 

Manchmal ist es schwer die hiesige Mentalität zu verstehen, andererseits muss ich mich sagen, dass ich mich auch in einige Eigenschaften der Inder sehr verliebt habe. Während man in Indien (nicht nur als Weißer) schnell mit Leuten auf der Straße und im Bus zu plaudern beginnt, mit dem Brother mit dem ich zusammenarbeite "Arm auf Schulter gelegt" durch die Gegend geht oder ein Kind als Kopfpolster benutzt, vermeidet man in Österreich jeden Augenkontakt mit Fremden in der U-Bahn, zuckt schnell weg wenn sich unabsichtlich die Finger beim nebeneinander gehen berühren und zieht man sich beim Mittagsschlaf irgendwohin zurück, wo einen ja keiner die Ruhe stören kann. Das Miteinander hier ist einfach anders und wäre nicht diese dämlich strikte Geschlechtertrennung, wäre mir das Miteinander hier 1000 Mal sympathischer als in Österreich.

 

Ich muss mich eh langsam aber sicher auf das Miteinander in Österreich einstellen, da ich in 4 Monaten wieder in Wien am Flughafen lande. Zwei Drittel meiner Zeit in Indien sind schon vorbei, Angst und Vorfreude streiten sich wer von beiden stärker in mir ist, denn ich liebe meine Kinder gerade so sehr, dass ich mir echt nicht vorstellen kann, sie für immer zu verlassen, doch andererseits hätte ich in Österreich die Chance etwas anderes als Reis zu essen... Wie ihr seht bin ich hin und hergerissen...

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Jakob Schreibmeier (Freitag, 08 April 2016 19:42)

    Mupfff also mupff ich freu mich schon wieder aufs Essen schluck